Ashley Audrains Debütroman »Der Verdacht« wurde in dreißig Sprachen übersetzt und hatte großen Erfolg, im Februar erschien bei Penguin ihr neuestes Buch »Das Geflüster«, das auch mein erster Titel der Autorin war. Es ist ein Vorstadt-Drama á la Desperate Housewifes, birgt aber verschiedene gesellschaftsrelevante Themen.
Inhalt zusammengefasst
Ein großes Gartenfest in der Harlow-Street soll unvergesslich bleiben, als Whitney die Nerven verliert und ihren Sohn Xavier vor allen versammelten Gästen harsch zurecht weißt, als dieser nicht hören möchte. Die Nachbarn beginnen zu tuscheln, sich ihre eigenen Meinungen zum Vorfall zu bilden und Whitneys Mutterqualitäten zu hinterfragen. Als es dann zu einem tragischen Unfall kommt, indem Xavier schwer verunglückt, scheint der Skandal perfekt. Jedoch ist niemand in der Nachbarschaft frei von Dämonen. Blair, die mit ihrem Ehemann und Aiden und Tochter Chloe gegenüber wohnt und mit Whitneys Familie befreundet ist, plagen Zweifel an ihrer Ehe und Rebecca, eine weitere Freundin und gleichsam die Kinderärztin von Xavier, durchlebt mit ihrem Freund Ben eine schwere Zeit. Dann ist da noch die ältere Dame Mara, die mit ihrem Mann ein einsames Leben führt und aus der Ferne beobachtet, was sich zuträgt, aber selbst auf ein schicksalshaftes Leben zurückblickt.
Wie war »Das Geflüster«?
Cover und Klappentext haben mich in ihren Bann gezogen und schon der Vergleich mit Desperate Housewifes hat meine Neugier geweckt. Ashley Audrain ist mir seit ihrem ersten Buch bekannt, auch wenn das bisher ungelesen in meinem Regal steht. Das wird sicher allerdings bald ändern, denn »Das Geflüster« hat mich sehr positiv überrascht. Ein Vorfall bringt die Handlung erst so richtig ins Rollen, Xavier stürzt aus dem Fenster und liegt fortan im Koma. Whitney verbringt ihre gesamte Zeit an seinem Bett und hat schwere Schuldgefühle. Als Leser*innen erfahren wir nach und nach, wie es so weit kommen konnte und entdecken die Geheimnisse der befreundeten Paare. Einen großen Platz im Handlungsverlauf nimmt die Mutterschaftsthematik ein, die von der Autorin sehr wertschätzend und allumfassend behandelt wird. Während alle handelnden Personen um das Leben des zehnjährigen Xavier bangen, kommen die Abgründe der Harlow-Street-Bewohner ans Licht.
Whitney ist mit ihrem Mann verheiratet, beide haben neben Xavier noch zwei weitere Kinder. Beide sind Karrieremenschen und finanziell sorglos, allerdings scheint Whitney mit ihrer Mutterrolle höchst unglücklich und auch um ihre Ehe steht es nicht gut. Blair ist Whitneys Nachbarin und Freundin, auch wenn man schnell den Eindruck bekommt, dass beide sich nicht so nah stehen, wie es scheint. Auch ihre Beziehung steckt in einer Krise, zumindest glaubt Blair das lange Zeit. Sie ist eine liebevolle Mutter für ihre Tochter Chloe und geht in dieser Rolle komplett auf. Rebecca, die im Krankenhaus, in dem Xavier behandelt wird, als Ärztin arbeitet, und ihr Freund Ben, wünschen sich sehnlichst ein Kind, nach mehreren Fehlgeburten leiden beide unter der Situation. Mara ist eine ältere Dame, die das Geschehen in der Nachbarschaft aus der Ferne beobachtet. Die Ehe zu ihrem Mann ist brüchig und sie trägt ein tragisches Geheimnis mit sich herum.
Diese Ehe nähert sich dem Ende. Und dann überlegt sie, wie es wohl wäre, wenn Aiden tot wäre, wenn er vollkommen verschwände, und nicht nur aus ihrem Leben.
Seite 174
Die Kapitel erzählen aus den Perspektiven der weiblichen Figuren, sodass uns die jeweiligen Gedanken zuteil werden und man sich als Leser*in ein gutes Bild von dem machen kann, was sich in dieser brisanten Nachbarschaft hinter verschlossenen Türen abspielt. Auch ich dachte stets an Desperate Housewifes und mochte den Wechsel zwischen äußerer Perfektion und innerem Zerfall. Es fiel mir leicht, mich in die Charaktere hineinzuversetzen, auch wenn mir viele nicht sympathisch wurden. Am Meisten bewegt hat mich die Lebensgeschichte von Mara, deren Figur am Ende leider komplett fallen gelassen und nicht weiter verfolgt wird. Das ist auch mein größter Kritikpunkt. Eine große Stärke ist die Figurenschaffung von Ashley Audrain, die ganz individuelle Persönlichkeiten konstruiert hat, die der Handlung ihre Würze verleihen und hier und da geschmacklose Geheimnisse offenbaren. Die einzelnen Kapitel enden mit einem Cliffhanger und auch der Abschluss des Buches hat es noch einmal in sich.
Fazit
In guter Desperate-Housewifes-Manier skizziert Ashley Audrain ein Vorstadt-Drama par excellence. Ein tiefgründiger Roman über die Mutterschaftsthematik und viel Schein und Sein.
Ashley Audrain
Ashley Audrain, geboren 1982 in Newmarket, Kanada, ist eine kanadische Schriftstellerin. Sie studierte Medienwissenschaften und war anschließend im Verlagswesen tätig. Der Verdacht (2021) war ihr erster Roman. Audrain ist freie Autorin und lebt mit ihrer Familie in Toronto.
Das Geflüster
von Ashley Audrain
aus dem Amerikanischen von Holger Wolandt & Lotta Rüegger
im Original erschienen unter dem Titel »The Whispers«
Penguin | 2024| 352 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag | ISBN: 978 3 328 60182 1 | 22.00€
Zum Buch
Mein Dank für das mir zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar geht an das Bloggerportal und Penguin.
Livia meint
Liebe Zeilentänzerin
Das klingt unterhaltsam, spannend und berührend zugleich. Das Buch ist mir noch gar nicht untergekommen und ich werde es mir auf jeden Fall einmal näher ansehen.
Alles Liebe an dich
Livia
Zeilentaenzerin meint
Hallo Livia, danke sehr. Das war es!