Die schönste Version - Ruth Maria Thomas

Ihr Lieben, auch das heute besprochene Buch ist unter Buchmenschen derzeit in aller Munde, vor allem auch wegen seines dramatischen Themas. Ich rede von »Die schönste Version« von Ruth Maria Thomas, veröffentlicht im Juli 2024 im Rowohlt-Verlag. Ein Paar an der Grenze zwischen Liebe und Grausamkeit und Grenzüberschreitungen in der Beziehung bilden den Mittelpunkt des Buches. Ich tue mich unsagbar schwer mit einer Besprechung, weswegen dies eher ein Versuch ist, euch das Geschriebene und meine Gedanken näher zu bringen.

Inhalt zusammengefasst

Eine ostdeutsche Kleinstadt während der späten Nullerjahre: Ella und Yannick lernten sich kennen und es war im Grunde sofort um beide geschehen. Die anfangs tiefen Gefühle und die innigen Momente zu zweit sind inzwischen gegenseitigen Provokationen, gewalttätigen Auseinandersetzungen und Beleidigungen gewichen. Yannick war ihre große Liebe und nun sitzt Ella auf der Polizeiwache und will ihn wegen häuslicher Gewalt anzeigen. Er würgte sie im Streit, sie schlug mit der Pfeffermühle zu. Ein erneuter Streit, der dieses Mal zur extremsten Eskalation führt.

Wie war »Die schönste Version«?

*Triggerwarnung: häusliche Gewalt, vulgäre Ausdrücke

Zwei Menschen die nicht mit und nicht ohne einander können, ein Klassiker könnte man meinen. Und irgendwie ist dieser Roman eine Geschichte aus dem Leben. Ein Paar, das gemeinsam wohnt, liebt und lebt, sich gut versteht, verknallt ist, zusammen kocht und Spaß miteinander hat. Bis irgendwann die schönen Momente brutalen Vorwürfen und Provokationen weichen. Ella provoziert Yannick, Yannick provoziert Ella, so geht es regelmäßig bei den beiden zu. Sie führen, wie man es heute gerne nennt, eine toxische Beziehung, eine, die nicht geführt werden sollte, denn Ella und Yannick tun sich immer nur temporär gut. Ihre Beziehung lebt mittlerweile von einer zerstörerischen Kraft, aus welcher die beiden nur noch den sexuellen Kick zu ziehen scheinen.

In den Nachrichten Bilder von Überschwemmungen, Dürren, Hunger. Krieg, Bomben, Zahlen von Toten. Und ich sitze davor und fühle trotzdem: Es kann niemandem schlechter gehen als mir.

Seite 106

Ohne tiefer auf den Inhalt einzugehen oder etwas vorweg zu nehmen, lässt sich sagen, dass Ruth Maria Thomas ein Buch geschrieben hat, das einen nach dem Lesen nicht einfach loslässt, das nachhallt und beklemmende Gefühle in Leser*innen auslöst. Ein Paar, das zunächst verrückt nacheinander ist, inzwischen aber vor allem die Eskalation perfekt beherrscht. Ella und Yannick probieren es immer wieder, stoßen jedoch ebenso schnell an Grenzen, sie streiten wieder, vor allem provozieren und beleidigen sie sich. Die Kraft und die Macht des ausgesprochenen Wortes wird von der Autorin eindrücklich verdeutlicht. Inhalte die brutaler nicht sein können, Aussagen die erschüttern und tief verletzen. Bis es zu einem folgenschweren und so grenzüberschreitenden Streit kommt, dass Ella zur Polizei geht. Sie will Yannick anzeigen.

Ist es Liebe oder emotionale Abhängigkeit, diese Frage stellte ich mir beim Lesen und wie auf so viele Fragen im Leben lässt sich auch diese nicht so leicht beantworten, denn was Menschen füreinander fühlen, wissen eben nur sie selbst. Es wäre anmaßend das bewerten zu wollen, viel zu verschieden sind Persönlichkeitsstrukturen, Erlebnisse und Prägungen. Dennoch wird allzu deutlich, dass diese beiden Menschen nicht zusammen sein sollten. Bis zum angesprochenen Ereignis empfand ich beide ähnlich provokant und streitsuchend, hielt sie für ähnlich heftig im Umgang mit dem anderen. Vertrauensbrüche, Vernachlässigung und gegenseitige Kränkungen werden angesprochen, Themen, mit denen sich Ella und Yannick wiederholt auseinandersetzen müssen.

Die Autorin hat einen intensiven Roman geschrieben, der tief geht, das Herz zum pochen bringt, wütend macht und verzeiht. Aber auch ein Buch das anklagt, Mut beweist und zwei Menschen zeigt, die gleichermaßen zu lieben und zu hassen scheinen. Patriarchale Strukturen zeigen die Folgen weiblicher Denkweisen und Gewalt in Beziehungen. Am Ende können die Folgen von körperlicher und psychischer Gewalt niemals durch Liebe aufgewogen werden. Ich wünschte mir, einer von beiden wäre eher gegangen, hätte den Schlussstrich gezogen, der so lange überfällig war. Doch genau das wollte Ruth Maria Thomas eben nicht, sie wollte die Eskalation, welche durch die zerstörerische Kraft dieser Beziehung zutage treten kann, aufzeigen. Und das hat sie getan. Mir persönlich war es teilweise etwas zu vulgär geschrieben, da ist jeder Mensch anders sozialisiert und geprägt.

Unser Alltag: Eine Schachpartie.

Seite 222

Fazit

Sehr beklemmend, nachhallend und mutig.

Ruth Maria Thomas

Ruth Maria Thomas, geboren 1993 in Cottbus, ist eine deutsche Sozialarbeiterin und Autorin. Sie war in der Jugendhilfe tätig, studierte am Deutschen Lehrinstitut in Leipzig und ist Mitbegründerin des erotischen Literaturmagazins Hot Topic!. Ihre Texte erscheinen regelmäßig in Literaturmagazinen wie z.B. DAS GRAMM.


Die schönste Version

von Ruth Maria Thomas
Rowohlt | 2024 |  272 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag | ISBN: 978 3 498 00695 2 | 24.00€
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Wie erging es euch beim Lesen und wäre es, sofern ihr das Buch nicht kennt, interessant für euch?

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