Hotel Amerika - Maria Leitner

Hallo zusammen, über die Hälfte des Jahres liegt hinter uns und immer wieder aufs Neue finde ich das so erschreckend. Was mein Leseziel für 2024 anbelangt, bin ich bisher sehr zufrieden (43 / 60 Büchern). Diese wunderschöne Schmuckausgabe aus dem Reclam-Verlag habe ich nun gelesen und damit auch einen Klassiker aus dem Jahr 1930, der in Neuauflage dieses Jahr erschienen ist. Maria Leitner ist die Autorin, die in diesem Werk ihre eigenen Erfahrungen in einem Hotel in den Vereinigten Staaten verarbeitet, indem sie daraus einen Roman erschaffen hat, der von Klassenunterschieden, Ausbeutung und Ungerechtigkeiten erzählt.

Inhalt zusammengefasst

Die aus Irland stammende Wäschereifrau Shirley arbeitet seit nunmehr sechs Jahren in einem New Yorker Luxushotel. Gemeinsam mit ihrer Mutter Celestina, dem Zimmermädchen Ingrid, dem deutschen Küchenjungen Fritz und vielen weiteren Einwanderern schuftet sie täglich unter harten Bedingungen, um den Gästen jeden Wunsch zu erfüllen. Im Hotel steht eine große Hochzeitsfeier bevor und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Während und vor dieser Veranstaltung kommt es zu einer Erpressung und einem Aufstand unter den Angestellten.

Wie war »Hotel Amerika«?

»Hotel Amerika« von Maria Leitner gehört zu den ersten Büchern, die 1933 von den Nationalsozialisten in Folge der Bücherverbrennungen den Flammen zum Opfer fielen und so auf dramatische Weise aus dem Verkehr gezogen wurden. Die Neuauflage aus dem Reclam-Verlag liefert die Möglichkeit, diese Geschichte neu zu erleben, deren Setting ein Luxushotel in New York ist. Und genau dieses steht stellvertretend für die Hoffnungen und Sehnsüchte seiner Angestellten und versammelt deren Schicksale. Leitner beschreibt in ihrem Debütroman ganz unterschiedliche Charaktere, die vereint, dass sie im »Hotel Amerika« arbeiten und alle nach einem besseren Leben streben. Der elende Arbeitsalltag zeigt ihnen, dass sie nicht als Menschen wahrgenommen werden, sondern ausschließlich Arbeitskraft sind.

Im Hotel sind Menschen verschiedenster Nationalitäten vertreten, von denen sich viele den amerikanischen Traum versprochen haben und auf dem Boden der Realität gelandet sind. Maria Leitner beschreibt die harten Arbeiten bildhaft, sodass wir als Leser*in eine gute Vorstellung von dem bekommen, was die Angestellten leisten müssen und wie wenig Anerkennung ihnen zuteil wird. Vom Küchenjungen, den Heizern, Nachtwächtern, Pagen und Wäscherinnen über die Zimmermädchen, Spülerinnen, Köche, Aufzugführer und Kellner sind sämtliche Hotelberufe vertreten und Leitner gelingt ein tiefer Einblick in den regen Hotelalltag. In diesem Rahmen lernen wir die Figuren in der Geschichte kennen und erfahren von ihren täglichen Bürden, ihren Wünschen und ihren persönlichen Zielen.

Es fällt mir nicht ein, Angst zu haben; aber gerade dieses Gefühl, dass die Welt nicht immer bleiben wird, wie sie heute ist, wirkt auf mich betäubend. Könnte man das Leben überhaupt genießen, wenn man nicht wüsste, dass man sterben wird?

Seite 138

In diesem Buch zeigt sich Maria Leitners gute Beobachtungsgabe, ihr Sinn für Gerechtigkeit und ihr steter Kampf für das Aufdecken von Klassenunterschieden. Sie reiste um die Welt und konnte sich daher ein differenziertes Bild von den Lebens-und Arbeitsbedingungen verschiedenster Gesellschaften der 1930er Jahre machen. Sie beschreibt in ihrem Werk »Hotel Amerika« die unsäglichen Zustände, mit welchen sich die Hotelangestellten auseinandersetzen müssen und macht diese zum großen Mittelpunkt der Geschichte. Am Rande erfahren wir Hintergründe und Motive einzelner handelnder Figuren, wie den Erpressungsversuch vor der Hochzeitsfeier oder den Wunsch von Shirley, einer irischen Einwanderin, tags darauf ein neues, besseres Leben zu beginnen. Immer wieder zeigt Maria Leitner auf, welche Lücke zwischen den schuftenden Angestellten und den Gästen klafft, die ihrem Luxus frönen. Das Nachwort möchte ich deutlich hervorheben, da es informativ und detailliert ist und zu den großen Stärken dieser Ausgabe zählt.

Fazit

Maria Leitner schreibt eindrücklich vom geplatzten amerikanischen Traum. Sie erzählt eine Geschichte von Ausbeutung, elenden Arbeitsbedingungen und einem Klassenkampf, der ins Bewusstsein ruft, wie drängend dieses Werk ist, das uns die Möglichkeit gibt, einen wichtigen Roman neu zu erleben.

Maria Leitner

Maria Leitner, geboren 1892 in Varaždin, Österreich-Ungarn, war eine deutschsprachige ungarische Journalistin und Schriftstellerin. Leitner studierte in Berlin und Wien Kunstgeschichte, zu Beginn des Ersten Weltkrieges arbeitete sie in Stockholm für Budapester Zeitungen. Sie war Mitglied der revolutionär gesinnten ungarischen Jugend und war aktiv beim sozialistisch-pazifistischen Galilei-Zirkel beteiligt. Maria Leitner arbeitete zudem für den Ullstein-Verlag und war in diesem Rahmen viel in den USA tätig. Sie schreibt in ihren Werken vor allem über die Lebensbedingungen sozialer Randgruppen. Leitner starb 1942 in Marseille, Frankreich. 


Hotel Amerika

von Maria Leitner
mit einem Nachwort von Katharina Prager
Reclam | 2024| 255 Seiten
Hardcover in der Schmuckausgabe | ISBN: 978 3 15 011476 6 | 25.00€
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Mein Dank für das mir zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar geht an den Reclam-Verlag.

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2 comments

  • Marie says:

    Das klingt sehr spannend, liebe Zeilentänzerin. Danke für die tolle Rezension.
    Liebe Grüße
    Marie

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