Jun 16 2024

Ihr Lieben, nach langer Zeit habe ich endlich wieder ein Buch von Elizabeth Strout gelesen, erschienen im btb-Verlag in der Taschenbuchausgabe im Frühjahr 2023. »Oh, William« ist ein Roman und gehört zu der Lucy-Barton-Reihe,  von der ich den zweiten Teil Alles ist möglich damals hier besprochen habe. Auch in diesem Buch zeigt sich Strout gewohnt als Meistern der Charakterstudie und erzählt die Geschichte von Lucy und ihrer innigen Beziehung zu ihrem Ex-Mann William.

Inhalt zusammengefasst

Lucy Barton ist Schriftstellerin und Mutter zweier erwachsener Töchter in New York. Erst kürzlich verlor sie ihren zweiten Ehemann an einer Krankheit und leidet unter diesem Verlust. Die Verbindung zu ihrem ersten Ehemann William ist ungebrochen, beide stehen sich noch immer nah. Als William Lucy um ihre Hilfe bittet, zeigt sich ihre komplexe Verbundenheit deutlicher denn je.

Wie war »Oh, William«?

Es ist schon fünf Jahre her, dass ich den zweiten Band der Lucy-Barton-Reihe, Alles ist möglich, gelesen habe. Und ehrlicherweise war mir zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass es sich überhaupt um eine Reihe handelte. Deshalb würde ich in jedem Fall sagen, dass die Bücher durchaus auch unabhängig voneinander gelesen werden können. Dennoch ist es ein nicht ganz unwichtiger Hinweis für jene, die alle Bände in korrekter Reihenfolge lesen möchten. Deshalb noch einmal ein kurzer Überblick dieser drei zueinander gehörenden Werke: Die Unvollkommenheit der Liebe (2018), Alles ist möglich (2019) und Oh, William (2021). Ich habe jeweils die Taschenbuchausgaben gelesen, während mir Band eins nach wie vor unbekannt ist. Ob ich ihn noch lesen werde, ist ungewiss.

An Elizabeth Strouts schriftstellerischen Fähigkeiten schätze ich besonders ihre Gabe, die tiefsten Wünsche und Zweifel eines Menschen, aber vor allem auch seine Ängste und gedanklichen Abgründe einzufangen. In den beiden Romanen der Lucy-Barton-Reihe schreibt sie von ihrem Charakter, Lucy Barton, einer erfolgreichen Schriftstellerin. Ich konnte während des Lesens keinen Bezug zum vorherigen Band herstellen, was aber auch daran liegen kann, dass ich diesen vor einigen Jahren gelesen habe und die Handlung nicht mehr allzu präsent ist. In Strouts Büchern sind es weniger die Geschichten selbst, die mich faszinierend, sondern viel mehr ihr emotionales Geschick Menschen zu konstruieren, in denen sich ihre Leser*innen wiederfinden können.

Sie ist nicht grundlos, die Eifersucht, die Kinder empfinden.

Seite 198

Die Handlung hat mich über weite Strecken nicht so sehr berührt, wie es Lucy und William als Menschen taten. Sie begleitet ihn nach Maine, auf der Suche nach seiner noch lebenden Schwester und der Vergangenheit seiner Mutter. Die enge Beziehung der beiden ehemaligen Eheleute ging mir beim Lesen schon nah, denn beide sind bereits lange Zeit kein Paar mehr und stehen sich doch äußerst nah. Lucy gibt alles für ihre Töchter und ihren ersten Ehemann William, der sie doch auch während der Beziehung kränkte. William schätzt Lucys Hilfsbereitschaft und dass er sich auf sie verlassen kann. Den für ihn emotional schweren Weg nach Maine, auf den Spuren seiner Familie, geht er deshalb mit Lucy, die einen wichtigen Halt in seinem Leben darstellt. Während Lucy ihren zweiten Ehemann David nach längerer Krankheit verlor, hat seine zweite Frau, mit der er eine kleine Tochter hat, ihn verlassen.

Elizabeth Strout verfügt über ein beeindruckendes Einfühlungsvermögen und lässt uns in die Gedankenwelten ihrer Figuren eintauchen. Die tiefe Verbundenheit zweiter Menschen ist es hier, die emotionalisiert und aufzeigt, wie nah wir uns sein können und so das Leben gemeinsam meistern können. Ich möchte grundsätzlich eine Empfehlung für die Werke dieser Autorin aussprechen, da ich ihre Art zu schreiben jedem ans Herz legen kann. Wenn ihr neugierig auf diese Reihe geworden seid, bin ich sicher, dass ihr nicht enttäuscht werdet.

Fazit

Voller menschlicher Wärme und einem faszinierend guten Gespür für Menschen hat Elizabeth Strout wieder einen einfühlsamen und verständnisvollen Roman geschrieben, der uns unsere Verwundbarkeit spürbar macht.

Aber im Kern bleiben wir alle Geheimnisse. Mythen. Wir sind alle gleich unerforschlich, das will ich damit sagen. Das ist vielleicht die einzige Wahrheit, deren ich mir ganz sicher bin.

Elizabeth Strout

Elizabeth Strout, 1956 in Portland, Maine, USA, geboren, ist eine amerikanische Schriftstellerin. Sie studierte Rechtswissenschaften in Syracuse, New York, USA. Anschließend verfasste sie Kurzgeschichten in Zeitschriften. 1998 erschien ihr erster Roman Amy und Isabelle, der 1999 den Los Angeles Times Book Prize gewann. 2001 wurde das Buch verfilmt. 2009 erhielt Strout für Abide with me den Pulitzer-Preis und 2010 den Premio Bancarella. Auch dieses Buch wurde verfilmt. Elizabeth Strout arbeitet auch als Dozentin an der Universität in Charlotte, North Carolina, USA.

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2 Kommentare

  1. Marie wrote:

    Das klingt sehr schön und könnte was für mich sein, liebe Zeilentänzerin. Notiere ich mir gleich mal. 💚
    Herzlichen Dank für die Vorstellung.
    Alles Liebe
    Marie

    Posted 6.20.24 Antworten

Zeilentänzerin ❥

Hallo und herzlich willkommen auf meinem kleinen, laienhaften Literaturblog. Hier findest Du Buchbesprechungen, Leserückblicke und andere literarische Themen. Schön, dass Du da bist!

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