Meine Lieben, es ist Zeit für eine neue Buchrezension und so bringe ich euch einen Roman mit, der in seiner ganzen Erzählweise einzigartig ist. Das vierte Buch von Clara Maria Bagus - »Der Klang von Licht« - erzählt eine schicksalshafte Geschichte, vom sich selbst verlieren und sich finden. Veröffentlicht wurde der Titel im Oktober diesen Jahres im Piper-Verlag. Ich las das Buch im Rahmen einer Leserunde bei Vorablesen.
Inhalt zusammengefasst
Eine Vollmondnacht, die auf schicksalhafte Weise das Leben vieler Menschen miteinander verwebt. Zwei Frauen, die seltsam verbunden scheinen, ein arroganter Mann, der feststellen muss, dass er nicht viel im Leben hat und ein weiterer, der seine Kindheit zusammenzusetzen versucht. Am Ende bleibt eine Geschichte zurück, die alle Figuren vereint.
Wie war »Der Klang von Licht«?
Triggerwarnung: Der Inhalt kann (re)traumatisierend sein.
Ein so inspirierender Roman, der mich bis ganz tief ins Herz berühren konnte. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass ich das gesamte Buch hätte markieren können. Die Autorin schreibt auf sehr beeindruckende Weise vom Verschwinden und Sich-Finden, so auch der Untertitel des vierten Werks von Clara Maria Bagus. Direkt auf den ersten Seiten wird man als Leser:in mit traumatischen Szenen konfrontiert, deshalb auch meine gesetzte Triggerwarnung. Das, was die Protagonistin, Juliette, zu Beginn der Geschichte erinnert, ist zutiefst verstörend und geht unweigerlich unter die Haut. Hier fand ich die kurzen Absätze und die kunstvolle Sprache der Autorin sehr hilfreich, da sie das Gelesene abmildern. Trotz der sehr ernsten Szenen und prägenden Kindheitserinnerungen von Juliette, die in einem Suizidversuch gipfeln, gelingt es Clara Maria Bagus, die Schönheit der Sprache in den Mittelpunkt zu stellen.
Jean-Pierre, routinierter Mediziner und anfänglich arroganter und gefühlloser Narzisst, macht wohl den größten Wandel durch. Nach einer missglückten Lebensrettung zieht er sich aus seinem Beruf zurück und muss erkennen, dass er abgesehen von einer großen Villa und teuren Ausstellungsstücken nicht viel in seinem Leben hat. Er ist im Grunde völlig einsam und flüchtet sich in unverbindliche Affären mit immer neuen Frauen. Sein Mentor Hermes, der ihn Zeit seines Lebens unterstützte und ebenfalls als Arzt tätig ist, steht ihm auch in dieser Phase zur Seite und glaubt, dass mehr in Jean-Pierre steckt, als dieser vermutet. Die enge Verbindung beider Männer ist sehr rührend und birgt ein großes Geheimnis.
Das Schicksal war über das achtjährige Kind hergefallen und hatte ihm die Federn aus den Flügeln gerissen.
Seite 19
Auch Virginie, die Gattin von Hermes, eine stolze und scheinbar sehr selbstbewusste Frau, ist tief unglücklich und eine Liaison mit dem Psychotherapeuten Léo eingegangen. Ihre Darstellung faszinierte mich, ebenso wie die der anderen Figuren sehr. Insbesondere gefielen mir auch die Aussagen der kleinen und schwerkranken Lola, die trotz ihrer geringen Lebensrate so frech und mutig und wunderbar leicht wirkt. Dann ist da noch Margaux, die zunächst etwas schroff wirkende ältere Dame, die beim näheren Kennenlernen durch ihren wachen Geist und ihre Empathie besticht. Die Geschichte, die verschiedenste Schicksale miteinander verbindet, ist bis zum Ende packend und rührt nicht selten zu Tränen. Zweifelsohne ist das größte Highlight neben den starken Figuren die Sprache von Clara Maria Bagus, die eine fast heilende Wirkung erzielt. Ihre Sichtweisen sind äußerst inspirierend, eindrucksvoll, intelligent und mutig. Ich konnte für mich selbst viel aus ihren Gedanken und den Schicksalen der Charaktere des Romans ziehen und bin sicher, dass das Buch noch für eine lange Zeit in meinem Gedächtnis bleiben wird.
Zitate aus dem Buch
»Seine Blicke griffen nach den Frauen. Doch wenn er sie erst einmal hatte, hielt die Spannung nur in den ersten Augenblicken, und schon flaute die Erregung ab. Es kam vor, dass er aus einem gewissen Gefühl der Verpflichtung heraus eine Frau für kurze Zeit in sein säuberlich geordnetes Leben einpasste, ihr einen bestimmten Wochentag zuwies, ohne sich jedoch auf eine tiefe Beziehung einzulassen oder auch nur einen Hauch von seiner alten Ordnung aufzugeben.« Seite 25
»Liebe wärmt, stärkt, lässt gedeihen und bereichert. Hass erkaltet, schwächt, verzehrt und entleert uns. Alles Schlechte, das man einem anderen wünscht, fällt früher oder später auf einen selbst zurück.« Seite 191
»Das Leben wird sinnvoll, wenn man es einer größeren Sache widmet als sich selbst.« Seite 65
»Und als sie bemerkte, dass sie sich diesen Wunsch nicht leisten konnte, wenn sie sich selbst nicht verlieren wollte, war es bereits zu spät. Da war sie sich bereits verloren gegangen. Und ihr Gesicht war hineingewachsen in die Maske der Frau, die sie nie sein wollte.« Seite 75
»Die eigentlich Sterbenden, das waren die Überlebenden.« Seite 104
»Lebenszeit zum Beispiel. Selbstvertrauen. Zuversicht. Kraft. Das stehlen wir Erwachsenen einander.« - »Kommt man für sowas ins Gefängnis?« - »In ein selbstgebautes.« Seite 164 / 165
»Ich wünschte, ich könnte die Welt so wahrnehmen wie Lola. Mit dem Blick eines Kindes. Manchmal halte ich mir die Augen zu, um zu sehen.« Seite 183
»Lieber ein paar Wochen zu viel im Bett als Jahrzehnte zu früh im Sarg. Und nun schweigen Sie, junger Mann. Leuten wie Ihnen kann man beim Denken zuhören, da brauchen Sie gar nicht mehr zu reden.« Seite 189
Fazit
Clara Maria Bagus schreibt mit großem Einfühlungsvermögen und Sprachkunst. Ihr Roman ist klug, feinsinnig und tiefgründig. Die Geschichte steckt voll wunderschöner Poesie und weisen lebensbejahenden Botschaften.
Clara Maria Bagus
Clara Maria Bagus, geboren 1975 in Marburg, ist eine deutsche Schriftstellerin, die auch die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt. Einen Namen machte sich die Autorin 2016 mit ihrem Debüt Vom Mann der auszog, um den Frühling zu suchen. Bagus lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Bern.
Der Klang von Licht
von Clara Maria Bagus
Piper | 2022 | 288 Seiten
Hardcover | ISBN: 978 3 492 07169 7 | 20.00€
Zum Buch
Mir wurde das Buch im Rahmen einer Teilnahme bei der Buchcommunity Vorablesen zur Verfügung gestellt.