Weltalltage - Paula Fürstenberg

Hey ihr Lieben, der März fing bei mir lesetechnisch etwas schleppend an, was zum Einen daran lag, dass ich selbst und andere mir nahe stehende Menschen Geburtstag feierten und deshalb einige Vorbereitungen anstanden und zum zweiten, dass ich mir bei dem im Folgenden besprechenden Titel ausreichend Zeit nehmen wollte, weil es thematisch kein Buch ist, das man nebenher weg liest. »Weltalltage« von Paula Fürstenberg, veröffentlicht bei Kiepenheuer & Witsch vor wenigen Wochen, erzählt von den Herausforderungen von Freundschaft und psychischer Gesundheit.

Inhalt zusammengefasst

Die Erzählerin wohnt mit ihrem besten Freund Max zusammen. Beide kennen sich seit der Schulzeit. Fünf Jahre nach dem tragischen Tod von Max’ Onkel, entwickelt dieser eine Angststörung. Besonders zu schaffen macht ihm die Aussage seiner Großmutter, dass er nun der letzte Mann in der Familie sei. Deshalb schläft Max fortan mit im Bett seiner besten Freundin, die selbst mit einer chronischen Erkrankung zu kämpfen hat. Sie möchte ihm beistehen, er zieht sich immer mehr zurück. Beide stoßen an Grenzen und müssen lernen, für sich selbst einzustehen, sich abzugrenzen und einander neu zu finden.

Wie war »Weltalltage«?

Paula Fürstenberg hat einen Roman geschrieben, indem sie Gesundheit und Krankheit sprachlich neu definiert. Ihre Gedanken beschäftigen sich vornehmlich mit dem gesellschaftlichem Umgang und der Ursachenforschung. Sie schreibt über die Geschichte von Max und seiner Erkrankung und erzählt gleichzeitig die Geschichte einer Freundschaft in der Zerreißprobe. Die namenlose Erzählerin kennt Max seit 1999, beide gingen damals in die siebte Klasse und beide sind die Kinder alleinerziehender Mütter aus der ehemaligen DDR. Sie müssen früh selbstständig sein und lernen einander zu unterstützen. Sie leidet an einem Schwindel, dem keine Diagnose zu Grunde liegt, er lässt sie deshalb beim Schwimmen und Fahrradfahren nie allein. Grundsätzlich stellt Max für sie einen Fels dar, jemanden, den so leicht nichts umhauen kann.

In der Gegenwart angekommen ist es Max, der plötzlich auf Hilfe angewiesen ist, der, nachdem sein Onkel fünf Jahre zuvor freiwillig aus dem Leben schied, eine generalisierte Angst entwickelt, die ihn daran hindert, einen mühelosen Alltag zu bestreiten. Er verfällt in eine Depression, gegen die beide machtlos scheinen. Sie findet Kraft im Schreiben und möchte Max´Geschichte erzählen. Ob es sich bei der Figur von Max nur um eine Metapher handelt, einen Anker für die Erzählerin, jemanden, der ihr Erklärungen liefert und das Verständnis in Person darstellt, die vom gesellschaftlichen Umfeld oft fehlt, darf spekuliert werden. Jedenfalls finde ich diese Idee sehr spannend. Paula Fürstenberg findet eine gute Mischung aus anspruchsvoller Erzählweise, schreibt mit großer Wärme und lässt auch ihrer Wut freien Lauf. Im Fokus stehen psychische und körperliche Erkrankungen, deren Ursache die Autorin in der eigenen Biografie, aber auch der Gesellschaft zu finden versucht.

{...} denn das Krankheit als Dunkelheit beschrieben wird, leuchtet dir gar nicht ein, das Gegenteil ist der Fall: Krankheit ist eine grelle, gnadenlose Helligkeit.

Seite 272

Sprachlich ist der Roman von großer Feinheit, er erzählt von Krankheit und fordert mehr Verständnis ein, er klagt eine Gesellschaft an, in der jeder funktionieren muss und in der Gesundheit wie selbstverständlich vorausgesetzt wird. Ich empfand das Geschriebene als sehr kraftvoll, konnte mich mit den Aussagen der Autorin identifizieren und viele wichtige Erkenntnisse mitnehmen. Die Bedeutung von Gesundheit, aber eben besonders von Krankheit und der oft verheerende Umgang damit, wurde mir einmal mehr schmerzlich bewusst. Klug, tabulos und mit viel Einfühlungsvermögen erzählt. Eine große Leseempfehlung!

Zitate aus dem Buch

»{...} oder du könntest das T-Shirt hochschieben und eine Narbe vorweisen, eine Beule oder einen ertastbaren Knorpel; irgendetwas, worauf du zeigen kannst und das beweist, dass dir schwindelt und du nicht schwindelst.« Seite 130

»Eure Körper sagen: Wir lassen uns keine Körperteile verbieten, insbesondere nicht den Mund.« Seite 303

Fazit

Schonungslos, direkt und voller interessanter Sichtweisen liefert Paula Fürstenberg einen Roman, der Empathie einfordert und unsere Verwundbarkeit vergegenwärtigt.

teilen
zurückweiter

2 comments

  • Livia says:

    Liebe Zeilentänzerin

    Das Buch habe ich mir auch schon angesehen und ich denke, ich werde es mir auf die Wunschliste packen. Der Inhalt klingt nach eher harter Kost, aber manchmal mag ich das sehr gerne und ich mag Bücher, die sehr direkt und klar sind (oder dann genau das Gegenteil, sehr poetisch erzählend passt mir oft auch, je nach Thema).

    Alles Liebe an dich und mach dir einen schönen Sonntag
    Livia

    Reply
    • Zeilentaenzerin says:

      Hallo Livia, ja es ist sicher keine einfache Kost, dennoch ein Buch, das Mehrwert bieten kann. Danke, den wünsche ich dir auch!

      Reply

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert